Menschenrechte der Minderheiten

Das UN-Menschenrechtsregime und der Schutz von Minderheiten in Syrien

Beschreibung

Im Teilprojekt C2.1 soll untersucht werden, ob und wie das internationale UN-Menschenrechtsregime zum Schutz der Rechte von Minderheiten in Syrien beitragen konnte. Es soll erforscht werden, inwiefern globale Institutionen und Normen des UN-Menschenrechtsregimes zur Verwirklichung der Rechte von sprachlichen, religiösen, kulturellen, politischen bzw. ethnischen Minderheiten in Syrien genutzt werden konnten und inwiefern diese internationalen Normen von Minderheiten auch als Bezugspunkte dafür dienten, um die Einhaltung ihrer Rechte in Syrien oder in der transnationalen Öffentlichkeit einzufordern.

Die Arabische Republik Syrien ist durch die Ratifikation völkerrechtlich bindender Verträge zur Einhaltung grundlegender globaler Menschenrechtsnormen verpflichtet. Diese Verpflichtungen Syriens gelten unter anderem für den „Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte“ von 1966, den „Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ von 1966, das „Internationale Übereinkommen zur Beseitigung von jeder Form von Rassendiskriminierung“ von 1965, das „Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“ von 1984, das „Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau“ von 1979, oder das „Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes“ von 1955. Neben den in der UN-Menschenrechtserklärung von 1948 enthaltenen (und völkerrechtlich nicht bindenden) Normen und dem auf dem Weltgipfel von 2005 verabschiedeten „Prinzip der Schutzverantwortung“ wurde der Minderheitenschutz auch in der nicht bindenden Erklärung über die Minderheitenrechte von 1992 konkretisiert.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt im Projekt auch darauf, das Zusammenspiel zwischen globalen Normen und Politikprozessen einerseits und der Identitätsbildung von Minderheiten anderseits zu analysieren. Daher richtet das Projekt insbesondere den Blick auch darauf, wie außerhalb von Syrien angesiedelte transnationale Netzwerke von Minderheiten im Ausland diese Identitäten beeinflussen und welche Rolle internationale Menschenrechte in diesen Netzwerken spielen.
Dazu ist es zunächst von zentraler Bedeutung, den Begriff der ‚Minderheit‘ im Kontext des politischen Systems, der Verfassung, der Gesellschaft und der Geschichte Syriens zu entschlüsseln und zu verstehen wie im syrischen Staat Minderheiten organisiert waren bzw. sind und welche Rechte diesen gewährt oder vorenthalten wurden.

Tatsächlich ist der Begriff der Minderheit ein politisch und historisch sehr aufgeladener Begriff, nicht nur spezifisch im syrischen, sondern auch im globalen Kontext. Denn wer hat die Macht bzw. das Recht zu bestimmen welche Gruppe den Status einer Minderheit einnimmt?
In den letzten 10 Jahren wurde viel dazu geforscht wie Minderheiten ‚gemacht‘ worden sind, während der Kolonisierungsprozesse und der Ausbreitung des modernen Nationalstaates als hegemoniale globale Struktur. Benjamin White zum Beispiel argumentiert, dass der Begriff ‚Minderheit‘ in der Levante gar nicht verwendet wurde bis zur Kolonisierung der Region durch Frankreich und dass der Begriff erst im Kontext des modernen Nationalstaates Sinn machte.

Seit mehr als 50 Jahren wird bzw. wurde die syrische Gesellschaft von der Baath-Partei regiert, mit Hilfe eines extensiven und autoritären Polizei- und Sicherheitsstaates. Die Baath-Partei versteht sich als strikt säkulare, sozialistische und nationalistische Partei mit einem sehr starken pan-Arabistischem Fokus. Dieses pan-Arabistische Selbstverständnis spiegelt sich auch im offiziellen Namen Syriens wieder: Syrische Arabische Republik. In ihrer Verfassung wird Religionsfreiheit garantiert, mit der einzigen Ausnahme, dass das Amt des Präsidenten Muslimen vorbehalten ist.
Denn Syrien basiert auf einer höchst diversen und heterogenen Bevölkerung, welche hauptsächlich aus Sunni Muslimen besteht (70%), gefolgt von 13% Shia (10% davon Alawiten), 10% Christen, 3% Druzen, und einigen wenigen Juden, Yeziden und Mandäern. Neben der mehrheitlich arabischen Bevölkerung gibt es verschiedene ethnische Minderheiten wie z.B. die Kurden (ca. 15%), sowie die Turkmenen, Tscherkessen und Armenier. Zwischen diesen   Gruppen gibt es Überschneidungen, sowie weitere trennende Parameter, so etwa der sozioökonomische Status, Bildungsgrad, Clanzugehörigkeit, Zugang zu inneren Regierungszirkeln und insbesondere Lokalität (Stadt, Berge, Wüste, Küste). Neben unterschiedlichen religiösen Ritualen und kulturellen Brauchtümern, unterscheiden sich manche dieser Gruppen auch in der Sprache. Im Falle der syrischen Kurden beispielsweise, wurde die Ausübung und Benutzung ihrer Sprache gezielt vom Staat unterdrückt und unter Strafe gestellt. Als Teil des interdisziplinären LOEWE-Projekts „Minderheitenstudien: Sprache und Identität“ soll deshalb ebenfalls ein ausdrücklicher Fokus auf der Erforschung von Dynamiken zwischen Sprache, internationalen Normen und dem Status von Minderheiten in Syrien liegen.

Im UN-Menschenrechtsregime beschäftigt sich seit dem Beginn des Syrien-Konflikts im Jahr 2011 eine breite Palette von Institutionen mit dem Syrien-Konflikt und der Nicht-Einhaltung von Normen zum Schutz von Minderheiten in Syrien (u.a. der UN-Sicherheitsrat und der UN-Generalsekretär, das UN-Hochkommissariat für die Menschenrechte, der UN-Menschenrechtsrat, UN-Task-Forces zu Syrien, sowie verschiedene Sonderberichterstatter).
Ein wichtiger Teil des Projekts wird sich mit den relevanten UN-Resolutionen beschäftigen und erforschen, wie die syrische Regierung zu Berichten über Normverletzungen Stellung bezog und wie nicht-staatliche Organisationen auf die in diesen Institutionen laufenden Politikprozesse einwirkten. Ebenso soll erforscht werden inwiefern das internationale Menschenrechtsregime sich auf die Identitätsbildung von syrischen Minderheiten auswirkte und eventuell genutzt wurde um bestimmte Rechte einzufordern.

Die theoriegeleitete Analyse bezieht sich u.a. auf governance-theoretische, konstruktivistische und völkerrechtliche Ansätze und die kritische Normenforschung. Methodologisch wird sich das Projekt auf bereits vorhandene qualitative Fallstudien stützen, sowie auf Interviews mit relevanten NGOs, UN-Mitarbeitern, Journalisten und Mitgliedern von Minderheitsgruppen, sowie Archivarbeit.

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